1964 – Wendepunkte des Kinos
Retrospektive im Filmmuseum (6. März bis 10. April 2014)
Eine Filmretrospektive über ein einzelnes Jahr im großen Kinokalender – und ein bisschen darüber hinaus. Über die Welt und das Kino zu jenem kulturhistorischen Zeitpunkt, dem auch das Österreichische Filmmuseum entsprang. Rückblickend war die Gründung dieser Institution im Februar 1964 weder Zu- noch Einzelfall: Film und Kino entwickelten um 1960 eine rasch expandierende Kultur der Selbstreflexion. Schubartig wurden neue Festivals, Kinematheken, Filmarchive und cinephile Zeitschriften gegründet; die ersten Filmhochschulen etablierten sich, Filmbücher erlebten ihre erste Blüte; eine junge Regie- und Kritikergeneration forderte lautstark ein "Neues Kino", bildende Künstler und Schriftsteller fanden attraktives Material in der Pop-Welt des Films – und die Geschichte des Mediums wurde erstmals weithin verfügbar, auch durch das Fernsehen. Insgesamt: ein Höhepunkt, der zugleich Ausdruck einer Krise war.
Die Schau präsentiert Werke aus dem "Geburtszeitraum" des Filmmuseums: zwischen Herbst 1962 (als die beiden Gründer miteinander zu arbeiten begannen) und Herbst 1965 (als sie im Gebäude der Albertina ihren ständigen Tatort aufschlugen). Es sind Filme, die affiziert sind vom Glamour des Kosmopolitischen (mit der PanAm nach Rio!) oder unter der Provinzialität der Zensur zu leiden haben. Filme über "Mad Men", die das Wirtschaftswunder immer schlechter vertragen, und Frauen, die sich in der Erinnerung ans KZ oder in der Industriewüste der Po-Ebene verlieren. Filme der späten Nouvelle Vague und des abbrechenden "Tauwetters" im Osten. Das letzte Leuchten der 70, 80jährigen, die 1964 schon "Klassiker" oder "altmodisch" sind, und die ersten Flammen der Erneuerung in Schweden, Polen, Brasilien, Deutschland. Filme über Olympische Spiele, Kalten Krieg und Algerien. Lehrfilme, Werbefilme, Undergroundfilme. Lawrence von Arabien, die Regenschirme von Cherbourg und CSU-Abgeordnete im Hitzestrahl der Kinoscheinwerfer.
1964: der schweifende und der mikroskopische Blick auf eine Kulturlandschaft. Mit Gästen wie P. Adams Sitney, Herold des 1963/64 in Europa ankommenden New American Cinema, Gavin Smith, Chefredakteur der im Herbst 1963 erstmals publizierten Zeitschrift Film Comment, Natacha Laurent, Direktorin der 1964 gegründeten Cinémathèque de Toulouse, Olaf Möller, Konsulent der Retrospektive, und der kroatischen Autorin und Kuratorin Tanja Vrvilo.
Die Projekte des Filmmuseums zum Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens werden vom Österreichischen Filminstitut, von der Stadt Wien und vom Bundeskanzleramt Österreich gefördert.