Tacita Dean © Frith Street Gallery

In person:

Tacita Dean

5. und 6. Mai 2011
 
In der internationalen Kunstwelt ist die 45jährige, in Berlin lebende Britin Tacita Dean längst als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Protagonistinnen anerkannt – sie nahm zweimal an der Biennale von Venedig teil, bestritt zahlreiche Einzelausstellungen und wurde von Museen mit Retrospektiven geehrt. Die Filmkritik ­hin­gegen hat von Dean bisher wenig Notiz genommen – obwohl ihre faszinierenden 16mm-Filmarbeiten einen Hauptfokus ihres Schaffens darstellen. Stan Douglas und Matthew Buckingham wären zwei andere Beispiele für diese Tendenz der Filmkultur, sich gegenüber „Film-bildenden Künstlern“ abzuschotten (so wie umgekehrt der Kunstbetrieb mit seinem eher selektiven Film-Faible gerne die reichen Traditionen des Avantgardekinos ausblendet).

 
Im Katalogvorwort zu ihrer Ausstellung Analogue im Jahr 2006 schreibt Tacita Dean: „Analogue is a description of all things I hold dear.“ Was ihre Arbeit mit bewegten Bildern betrifft, führt dieser Umstand zum konsequenten Einsatz von 16mm-Film, dem primären Medium des unabhängigen und experimentellen Films nach 1945. Angesichts der Tatsache, dass der Mainstream der heutigen Laufbildkultur (im Unterhaltungssektor ebenso sehr wie im Kunstmuseum) auf digitaler Basis operiert, ist diese scheinbar altmodische Materialwahl auch als Ausdruck eines kritischen bzw. ­uto­pischen Geschichtsverständnisses lesbar: „Tacita Dean holt Nicht-Ge­sehenes zurück.“ (Peter Bürger) Immer wieder befasst sie sich mit gefährdeten, „lebendig begrabenen“ oder außerirdisch anmutenden Schauplätzen und Bauwerken und porträtiert Künstler, ­deren „legendärer“ Altersstatus auch auf Randständigkeit, Rückzug, Nichtverfügbarkeit beruht. In einem ihrer schönsten Werke – Kodak – geht sie an die vom wirtschaftlichen Wandel bedrohte Quelle ihres eigenen Arbeitsmaterials: in die Rohfilmfabrik der ­Firma ­Kodak in Chalon-sur-Saône.
 
James Quandt hat Tacita Dean nicht nur als „bockige Materialistin“, sondern auch als eine Erbin der englischen Romantik beschrieben, als Nachfolgerin von William Turner (Malerei) oder Michael Powell (Kino). Die geheimnisvolle Schönheit, die Deans Filme durchströmt, ergibt sich zum Teil aus ihrer Vorliebe für flüchtige, in steter Bewegung befindliche Sujets wie Licht und Luft, Himmel und Meer. Die Bezugnahme auf Leuchttürme oder Seeleute impliziert darüber ­hinaus eine erzählerische Energie, etwas spielerisch „Fabel-haftes“, das in Deans Filmen (mit Ausnahme des eigensinnigen The Martyr­dom of St Agatha) nie ganz ausbricht – das aber stets darauf wartet, herbeigerufen zu werden: am Rand, an der Linie, wo Film und ­Kaschierung, Gesehenes und Nicht-Gesehenes, Natur und Geschichte einander berühren.
 
Eine gemeinsame Veranstaltung des Filmmuseums und des MUMOK, das bis 29. Mai die Ausstellung "Tacita Dean. The Line of Fate" zeigt. Mit Dank an Tacita Dean, Achim Hochdörfer (MUMOK), Frith Street Gallery, London, und Marian Goodman Gallery, New York / Paris. 
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