Carte blanche für Peter Konlechner
9. Mai bis 20. Juni 2014
„Zuerst war es die Kinotechnik, die mich faszinierte. Statt auf Fußballplätzen oder bei Jugendorganisationen, trieb ich mich bereits als Halbwüchsiger in Filmkabinen herum. Als ich aus dem Fundus des längst nicht mehr existierenden Klosterneuburger Burg Kinos einen alten Kino-Projektor ergatterte, begann ich alles, was mir in die Finger kam, zu projizieren: Wochenschauen, Werbefilme, Spielfilmausschnitte, von überall Ausgeborgtes. Anfangs in der Küche meiner sehr geduldigen Großmutter, danach in den Ferien auf Wiesen im Salzkammergut vor staunenden Einheimischen – damals schon Bronenosec Potemkin. Später dann als Student im von mir ins Leben gerufenen Cinestudio der TU.
Von Anbeginn standen dabei nicht Story, Schauspieler oder die (politischen) Inhalte, sondern das genuine Wesen des Films, die Gestaltung durch den Regisseur, die in Wahrheit erst am Schneidetisch vollendet wird, im Vordergrund. Deshalb hatten wir es uns während meiner Direktionszeit im Filmmuseum zur Devise gemacht, das Gesamtwerk eines Regisseurs zu zeigen, wodurch man dessen Entwicklung erst versteht. Dies gelingt nur, wenn das Werk authentisch präsentiert wird: Stummfilme stumm und in der richtigen Geschwindigkeit, Tonfilme in Originalsprache und in den besten verfügbaren Kopien.
Nach 37 Jahren des Gestaltens von Retrospektiven ist diese Carte blanche nicht mehr der Versuch, einen Kanon des Films zu definieren, sondern eine sehr persönliche Rückschau auf die Regisseure, deren Werk ich nach Wien holen konnte und mit denen mich oftmals eine sehr persönliche Beziehung verband. Angefangen mit Groucho Marx, der meiner Verlobten und mir als Nichtraucher zur Hochzeit ein Raucherservice mit der Widmung „this is the ideal gift for a non-smoking couple“ überreichte, über Federico Fellini, für den der Demel eigens eine Auslage gestaltete, bis hin zu Chuck Jones, der auf jedes verfügbare Stück Papier Bugs Bunny oder Pepé le Pew zeichnete.
Diese Retrospektive bestimmen Momente wie die mit Elia Kazan, der mir von einem russischen Film erzählte, der in Sibirien spielt, den er vor 30 Jahren gesehen hätte und der seither nicht mehr zu finden wäre. Eine Stunde später konnte ich ihm Aėrograd aus unserer Sammlung vorführen. Aus Dankbarkeit schenkte uns Kazan eine nagelneue Kopie von America, America. Beide Filme werden Sie in diesem Programm sehen können. So wie Werke des viel zu früh verstorbenen Jean Eustache, der mir 1979 ins Gästebuch schrieb, „en fait ce séjour m’a bouleversé. J’espère revenir avec plus de serenité“ – er kam leider nie wieder.
Die Retrospektive ist all jenen Gästen des Filmmuseums gewidmet, die wir seit 1964 begrüßen konnten – und Ihnen, unserem Publikum, den Mitgliedern des Österreichischen Filmmuseums.“ (Peter Konlechner)
Die Projekte des Filmmuseums zum Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens werden vom Österreichischen Filminstitut, von der Stadt Wien und vom Bundeskanzleramt Österreich gefördert.