Say Hello – Zu Gast im Filmmuseum: Todd Haynes
29. September bis 8. Oktober 2017
Mit Todd Haynes (*1961) besucht einer der Schlüsselautoren des modernen amerikanischen Kinos das Filmmuseum. Vom Auftritt als Speerspitze des "New Queer Cinema" mit dem Sundance-Sieger Poison (1991) bis zu seinen großen Erfolgen im neuen Jahrtausend wie der Melodramen-Revision Far From Heaven (2002), dem Bob-Dylan-Kaleidoskop I'm Not There (2007) oder der Highsmith-Adaption Carol (2015) hat er sich den Geist eines Independent bewahrt – während das Label selbst von der Industrie vereinnahmt worden ist. Haynes verblüfft mit immer neuen stilistischen Zugängen, widmet sich dabei aber konsequent dem Konflikt zwischen gesellschaftlichen Zwängen und persönlichen Sehnsüchten.
Der einstige Kunst- und Semiotikstudent hat den Blick des Intellektuellen mit intensivem Interesse an der Populärkultur und ihren historischen Wirkkräften verschränkt: Haynes taucht tief in die Gefühlswelten seiner meist gespaltenen Charaktere ein und offenbart das Netz sozio-kultureller Bedingungen, in das sie eingewoben sind. Im Bewusstsein, dass das Kino eine Zeitmaschine ist, verschreibt er sich ganz dessen transformativer, mitreißender Kraft, auf den Punkt gebracht im Titel des jüngsten Films: Wonderstruck.
Diese spezielle Sensibilität zeichnete sich schon im ersten (Skandal-)Erfolg ab. In Superstar: The Karen Carpenter Story (1988) spielte Haynes das Leben der berühmten Pop-Sängerin und ihren Tod durch Magersucht mit Barbie-Puppen nach – eine gleichermaßen absurde wie bestürzende Metapher für die unrealistischen Erwartungen (und die Spielzeug-Mentalität) der Celebrity-Kultur als Rahmen einer menschlichen Tragödie. Noch experimentierfreudiger waren die von Jean Genet inspirierten Außenseiter-Geschichten in Poison, einem Film, der mit sehr unterschiedlichen Stilmitteln ein widerständiges Bild von Homosexualität aus dem Geist der AIDS-Krisenerfahrung der Achtziger entwarf. Im Meisterwerk Safe (1995) verdichtete Haynes dann das Gefühl umfassender sozialer Malaise in der Geschichte einer Durchschnittsfrau (Julianne Moore), die von unerklärlichen Allergien ins unheimliche New-Age-Exil getrieben wird: Entfremdung als Motor eines existenzialistischen, verstörenden, aber denkbar unblutigen Horrorfilms.
Seither hat Haynes mit cinephiler Leidenschaft – und eingespieltem Team wie der Produzentin Christine Vachon und dem Kameramann Ed Lachman – klassische Genre-Formen virtuos rekonstruiert und radikal erweitert. Etwa den Musikfilm: als extravaganten, politisch bewussten Glam-Rock-Mythos in Velvet Goldmine (1998) oder, auf den Spuren des Enigmas Bob Dylan, im epischen Biopic I’m Not There – ein "Formwandlerfilm", der alle Zuschreibungen von Geschlecht, Klasse und Rasse sprengt. Haynes hat auch das Gefühlskino der 40er/50er Jahre im zeitgenössischen Rückspiegel betrachtet und zugespitzt: teilweise schwelgerisch wie in Far From Heaven oder zurückgenommen wie in Carol. Wie kaum ein anderer US-Regisseur hat er den Spagat geschafft, den er an Regisseuren wie Hitchcock oder Douglas Sirk bewundert: "Gleichzeitig populäres Kino machen und völlig subversiv sein."
Als Gast des Filmmuseums wird Todd Haynes im Rahmen der Retrospektive eine Masterclass und mehrere Publikumsgespräche bestreiten.
Zur Eröffnung der Retrospektive ist sein neuer Film "Wonderstruck" als Österreich-Premiere zu sehen. Mit Dank an FilmNation Entertainment. Für die Eröffnung gibt es ab 30. August Karten im Vorverkauf, Restkarten an der Abendkassa (keine telefonische oder Online-Reservierung).
Mit Todd Haynes (*1961) besucht einer der Schlüsselautoren des modernen amerikanischen Kinos das Filmmuseum. Vom Auftritt als Speerspitze des "New Queer Cinema" mit dem Sundance-Sieger Poison (1991) bis zu seinen großen Erfolgen im neuen Jahrtausend wie der Melodramen-Revision Far From Heaven (2002), dem Bob-Dylan-Kaleidoskop I'm Not There (2007) oder der Highsmith-Adaption Carol (2015) hat er sich den Geist eines Independent bewahrt – während das Label selbst von der Industrie vereinnahmt worden ist. Haynes verblüfft mit immer neuen stilistischen Zugängen, widmet sich dabei aber konsequent dem Konflikt zwischen gesellschaftlichen Zwängen und persönlichen Sehnsüchten.
Der einstige Kunst- und Semiotikstudent hat den Blick des Intellektuellen mit intensivem Interesse an der Populärkultur und ihren historischen Wirkkräften verschränkt: Haynes taucht tief in die Gefühlswelten seiner meist gespaltenen Charaktere ein und offenbart das Netz sozio-kultureller Bedingungen, in das sie eingewoben sind. Im Bewusstsein, dass das Kino eine Zeitmaschine ist, verschreibt er sich ganz dessen transformativer, mitreißender Kraft, auf den Punkt gebracht im Titel des jüngsten Films: Wonderstruck.
Diese spezielle Sensibilität zeichnete sich schon im ersten (Skandal-)Erfolg ab. In Superstar: The Karen Carpenter Story (1988) spielte Haynes das Leben der berühmten Pop-Sängerin und ihren Tod durch Magersucht mit Barbie-Puppen nach – eine gleichermaßen absurde wie bestürzende Metapher für die unrealistischen Erwartungen (und die Spielzeug-Mentalität) der Celebrity-Kultur als Rahmen einer menschlichen Tragödie. Noch experimentierfreudiger waren die von Jean Genet inspirierten Außenseiter-Geschichten in Poison, einem Film, der mit sehr unterschiedlichen Stilmitteln ein widerständiges Bild von Homosexualität aus dem Geist der AIDS-Krisenerfahrung der Achtziger entwarf. Im Meisterwerk Safe (1995) verdichtete Haynes dann das Gefühl umfassender sozialer Malaise in der Geschichte einer Durchschnittsfrau (Julianne Moore), die von unerklärlichen Allergien ins unheimliche New-Age-Exil getrieben wird: Entfremdung als Motor eines existenzialistischen, verstörenden, aber denkbar unblutigen Horrorfilms.
Seither hat Haynes mit cinephiler Leidenschaft – und eingespieltem Team wie der Produzentin Christine Vachon und dem Kameramann Ed Lachman – klassische Genre-Formen virtuos rekonstruiert und radikal erweitert. Etwa den Musikfilm: als extravaganten, politisch bewussten Glam-Rock-Mythos in Velvet Goldmine (1998) oder, auf den Spuren des Enigmas Bob Dylan, im epischen Biopic I’m Not There – ein "Formwandlerfilm", der alle Zuschreibungen von Geschlecht, Klasse und Rasse sprengt. Haynes hat auch das Gefühlskino der 40er/50er Jahre im zeitgenössischen Rückspiegel betrachtet und zugespitzt: teilweise schwelgerisch wie in Far From Heaven oder zurückgenommen wie in Carol. Wie kaum ein anderer US-Regisseur hat er den Spagat geschafft, den er an Regisseuren wie Hitchcock oder Douglas Sirk bewundert: "Gleichzeitig populäres Kino machen und völlig subversiv sein."
Als Gast des Filmmuseums wird Todd Haynes im Rahmen der Retrospektive eine Masterclass und mehrere Publikumsgespräche bestreiten.
Zur Eröffnung der Retrospektive ist sein neuer Film "Wonderstruck" als Österreich-Premiere zu sehen. Mit Dank an FilmNation Entertainment. Für die Eröffnung gibt es ab 30. August Karten im Vorverkauf, Restkarten an der Abendkassa (keine telefonische oder Online-Reservierung).
Zusätzliche Materialien
Fotos 2017 - Todd Haynes