Der sichtbare Mensch
Progressives ungarisches Kino 1962-1981
28. bis 30. März 2019
Während der ungarischen Räterepublik von März bis August 1919 war Béla Balázs (1884–1949) Volkskommissar für Schulwesen und Volkskultur. Nach deren Sturz sah er sich gezwungen, Ungarn zu verlassen. Was nahm er mit sich? Seine Abneigung gegenüber dem nationalistischen Biedermeierdenken des 19. Jahrhunderts, ein stark aufklärerisches kollektivistisches Engagement für öffentliche Bildung aus der kosmopolitischen Atmosphäre Budapests des frühen 20. Jahrhunderts und eine moderne Kompositionstheorie, entwickelt mit Béla Bartók und Zoltán Kodály aus musikalischen und narrativen Motiven der Völker des Karpatenbeckens.
Die erste Station seiner langen Reise war Wien, wo er begann, Filmkritiken zu schreiben. Diese in der Wiener Zeitung Der Tag publizierten Artikel bildeten die Basis seines berühmten filmtheoretischen Werks Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films (1924), das in Ungarn 1958 erschien.
Danach suchte er in Deutschland ein neues Betätigungsfeld für seine linksgerichteten Erziehungsideen und drehte Filme mit Leni Riefenstahl, Georg Wilhelm Pabst und anderen, während er sich mit Bertolt Brecht und Kurt Weill in einer ideologischen Debatte engagierte. Ab den 1930ern lebte er in der Sowjetunion, wo er anstelle eines Utopia den Stalinismus vorfand.
1945 kehrte Balázs nach Ungarn zurück und engagierte sich in hektischer Organisationstätigkeit für Filmbildung und Filmkultur, bis die ungarischen Stalinisten 1948 seine Hoffnungen beendeten. Bald darauf starb er.
Wie viel verdankt das ungarische Avantgardekino den Filmtheorien von Béla Balázs? Diese komplexe Frage könnte vielleicht beantwortet werden, indem man einige Filme untersucht, doch auch solche Fallbeispiele werden nicht eindeutig klären können, ob seine Theorien die Praxis des Filmemachens beeinflussten oder die Filmemacher/innen die Prognosen seiner Theorien verifizierten.
Wir werden dennoch versuchen, "den Menschen sichtbar zu machen", indem wir eine Auswahl von Dokumentarfilmen, Erziehungsfilmen, Filmetüden und Experimentalfilmen aus der progressivsten Periode des ungarischen Kinos, den 1960ern und 1970ern, zeigen. Die meisten Filme in diesem Programm wurden vom Béla Balázs Studio (BBS) produziert, das 1959 im Tauwetter entstand, das dem Stalinismus und dem Aufstand von 1956 folgte.
Nomen est omen? Wir werden sehen. (Sebestyén Kodolányi)
Mit Einführungen von Kurator Sebestyén Kodolányi, dem ehemaligen Archivdirektor des Béla Balázs Studio Research Archive.
Während der ungarischen Räterepublik von März bis August 1919 war Béla Balázs (1884–1949) Volkskommissar für Schulwesen und Volkskultur. Nach deren Sturz sah er sich gezwungen, Ungarn zu verlassen. Was nahm er mit sich? Seine Abneigung gegenüber dem nationalistischen Biedermeierdenken des 19. Jahrhunderts, ein stark aufklärerisches kollektivistisches Engagement für öffentliche Bildung aus der kosmopolitischen Atmosphäre Budapests des frühen 20. Jahrhunderts und eine moderne Kompositionstheorie, entwickelt mit Béla Bartók und Zoltán Kodály aus musikalischen und narrativen Motiven der Völker des Karpatenbeckens.
Die erste Station seiner langen Reise war Wien, wo er begann, Filmkritiken zu schreiben. Diese in der Wiener Zeitung Der Tag publizierten Artikel bildeten die Basis seines berühmten filmtheoretischen Werks Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films (1924), das in Ungarn 1958 erschien.
Danach suchte er in Deutschland ein neues Betätigungsfeld für seine linksgerichteten Erziehungsideen und drehte Filme mit Leni Riefenstahl, Georg Wilhelm Pabst und anderen, während er sich mit Bertolt Brecht und Kurt Weill in einer ideologischen Debatte engagierte. Ab den 1930ern lebte er in der Sowjetunion, wo er anstelle eines Utopia den Stalinismus vorfand.
1945 kehrte Balázs nach Ungarn zurück und engagierte sich in hektischer Organisationstätigkeit für Filmbildung und Filmkultur, bis die ungarischen Stalinisten 1948 seine Hoffnungen beendeten. Bald darauf starb er.
Wie viel verdankt das ungarische Avantgardekino den Filmtheorien von Béla Balázs? Diese komplexe Frage könnte vielleicht beantwortet werden, indem man einige Filme untersucht, doch auch solche Fallbeispiele werden nicht eindeutig klären können, ob seine Theorien die Praxis des Filmemachens beeinflussten oder die Filmemacher/innen die Prognosen seiner Theorien verifizierten.
Wir werden dennoch versuchen, "den Menschen sichtbar zu machen", indem wir eine Auswahl von Dokumentarfilmen, Erziehungsfilmen, Filmetüden und Experimentalfilmen aus der progressivsten Periode des ungarischen Kinos, den 1960ern und 1970ern, zeigen. Die meisten Filme in diesem Programm wurden vom Béla Balázs Studio (BBS) produziert, das 1959 im Tauwetter entstand, das dem Stalinismus und dem Aufstand von 1956 folgte.
Nomen est omen? Wir werden sehen. (Sebestyén Kodolányi)
Mit Einführungen von Kurator Sebestyén Kodolányi, dem ehemaligen Archivdirektor des Béla Balázs Studio Research Archive.
Zusätzliche Materialien