Pier Paolo Pasolini / Mauro Bolognini / Carlo Lizzani
12. Jänner bis 1. März 2023
Zum Jahresauftakt würdigen wir drei "Hundertjährige": ein Trio von herausragenden italienischen Filmemachern, die jeweils auf ihre Weise ein kritisches zeitgenössisches Kino verwirklichten und einander zudem freundschaftlich und künstlerisch verbunden waren. Im Mittelpunkt steht mit Pier Paolo Pasolini (1922–1975) eine der großen Künstlerpersonen des 20. Jahrhunderts: Pasolini war als Poet und Autor bereits ein Star der italienischen Nachkriegskultur, als er mit Accatone (1961) sein Regiedebüt vorlegte. Als Zentralfigur des nationalen Kinos der 1960er wurde ihm vom Filmmuseum 2009 eine große Reihe gewidmet; heuer wird der Rahmen weiter gefasst, mit einer Gesamtschau von Pasolinis Werk bis zu Salò o le 120 giornate di Sodoma (1975), der erst nach seiner bis heute ungeklärten Ermordung erschien.
Pasolinis Filmschaffen kombinieren wir mit einem größeren Querschnitt des Werks seines Kino-Mentors Mauro Bolognini (1922–2001). Bolognini bestand auf dem umstrittenen Literaten Pasolini als Drehbuchautor und arbeitete von 1957 bis 1960 konsequent mit ihm zusammen, anschließend ebnete er den Weg zur Produktion von Accatone. Selbst reüssierte Bolognini als einer der großen gesellschaftskritischen Regisseure Italiens von den 1950ern bis in die 1980er bei Filmfestivals wie Cannes oder Locarno. Bolognini feierte internationale Erfolge durch Produktionen mit Weltstars wie Marcello Mastroianni (die von Pasolini mitverfasste Tragikomödie Il bell'Antonio, 1960; das Psychiatrie-Drama Per le antiche scale, 1975), Claudia Cardinale und Jean-Paul Belmondo (La viaccia, 1961), Ingrid Thulin (die Moravia- Verfilmung Agostino, 1962) oder Anthony Quinn und Dominique Sanda (L'eredita Ferramonti, 1976). Doch inzwischen ist er zu Unrecht vernachlässigt. Möglicherweise weil sein kultiviertes, klassenbewusstes Kino vom ähnlich ausgerichteten, aber wesentlich gefälligeren Werk Bernardo Bertoluccis überschattet worden ist.
Mit Carlo Lizzani (1922–2013) kommt als Dritter im Bunde eine Schlüsselfigur für die Erneuerung des italienischen Kinos durch den Neorealismus dazu. Neben Luchino Visconti, Giuseppe De Santis u.a. war Lizzani in den 1940ern als Kritiker Teil dieses Aufbruchs, als Regisseur debütierte er mit historischen Schilderungen des Kampfes gegen den Faschismus im neorealistischen Stil: Achtung! Banditi! (1951) handelt von kommunistischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg (in einer Nebenrolle: der künftige Kinostar Gina Lollobrigida). Cronache di poveri amanti (1954, hier mit Mastroianni auf dem Weg zum Weltruhm) erzählt vom Antifaschismus im Arbeitermilieu von Florenz der 1920er, die Regierung reagierte auf den Film mit Repressalien. Direkt davor lieferte Lizzani einen Beitrag zum exzellenten Episodenfilm L'amore in città, in dem die Aufspaltung des neorealistischen Erbes in Autorenfilm und Populärkino abzulesen war.
Lizzani selbst setzte auf Genrefilme mit engagierter Thematik. Bei spielhaft dafür sind Il gobbo (1960) über einen Weltkriegs-Partisanenkämpfer, der zum Räuber wird, und L'oro di Roma (1961) über die Razzia im jüdischen Ghetto von Rom 1943. Lizzanis spätere Verschränkung von Genre und Zeitkritik im Zeichen der hereinbrechenden "bleiernen Jahre" zeigen Banditi a Milano (1968, eine Action- Reportage über die neue Welle urbaner Verbrechen) und Kleinhoff Hotel (1977, ein deutsch-italienischer Erotikthriller über die grassierende Terrorangst). Pasolini ist bei Lizzani – beide zeichnen zudem für Episoden von Amore e rabbia (1969) verantwortlich – zwei Mal in unvergesslichen Nebenrollen zu sehen: Bei Il gobbo sowie im Italo western Requiescant (1967), wo er einen Revoluzzer-Priester spielt.
Diese Verschränkung von Kommunismus und Christentum ist auch prägend für die Wahrnehmung von Pasolini – als Künstler wie als öffentliche Figur. Pasolinis Zugang zu Marxismus und Religion war dezidiert anti-doktrinär, seine Homosexualität sorgte dazu zeitlebens für Skandale (ebenso wie sein Schaffen), während er sich als Intellektueller provokant in tagesaktuelle Diskussionen einmischte: am angesagten Siegeszug des Wirtschaftswunders zweifelnd, während er das einfache Volk und dessen Kultur verherrlichte. Das Widersprüchliche als produktive Triebkraft war sein Element, dadurch konnte er auf singuläre Weise die Massen erreichen – und polarisieren: Wie er im Interviewfilm Comizi d'amore (1964) von Norden nach Süden durch Italien reist, um seine Landsleute mit Offenheit und Charme über ihr Liebesleben zu befragen, ist entwaffnender Aus druck seiner Kommunikationsgabe, die eine ganze Nation bewegte.
Als Filmschaffender gehörte Pasolini zwar zur Autorenfilmer-Generation nach dem Neorealismus, doch betonte er dabei selbst, dass er nur Filme für ein großes Publikum machen wollte. Sein unverwechselbarer Zugriff führte dabei aus Roms Vorstädten in den borgate-Milieustudien Accatone und Mamma Roma (1962) zur radikalen Neudeutung von Mythen: von christlichen (Il Vangelo secondo Matteo erzählte 1964 ein Neues Testament als wär's ein Dokumentarfilm im Süditalien seiner Zeit) wie antiken (Ödipus in Edipo re, 1967; Medea, 1969). Mit Erfolgskomiker Totò baute Pasolini indessen einen "Spiel-Film" (Uccellacci e uccellini, 1966), der ebenso Zeitdiagnose ist wie sein Bourgeoisie-Bild Teorema (1968) und das allegorische Diptychon Porcile (1969). Nach diesen Endspielen verhandelte Pasolini in den 1970ern die Sinnfrage vollends über den Körper (und das Sinn liche): In der utopisch konzipierten "Trilogie des Lebens" widmete er sich volksnah klassischen Erzählungen – Boccaccios Decamerone, Chaucers Canterbury Tales, 1001e Nacht. Mit Salò folgte ein De Sade'sches Gegenbild dazu – ein Ende, das keines hätte sein sollen, aber wie ein letztes Wort wirkt.
Die kalte Nacktheit dieses aufrüttelnden Abschiedswerks entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man bedenkt, dass sich Pasolini – bei aller gegenseitigen Wertschätzung – ästhetisch einst mit Bolognini wegen dessen unterkühlter Inszenierung seines borgate-Sujets in La notte brava (1959) überworfen hatte. Bologninis elegant-distanzierter Stil fand in seinen Drehbuch-Kollaborationen mit Pasolini seine Vollendung: Von den geschmeidigen Kamerafahrten im täuschend leichten Lustspiel Marisa la civetta (1957) zu den imposanten Rom-Bildern in La giornata balorda (1960, nach Moravia) zeichnete sich eine distinguierte Weltsicht ab. Wie Pasolini ist Bolognini als Filmemacher ein Meister des Plastischen und des Sinnlichen, und beide eint eine gewisse Verzweiflung in der Weltsicht, obwohl ihre Ausdrucksweise und Persönlichkeit ganz verschieden waren (so ging Bologini sehr diskret mit seiner Homosexualität um).
Dass die Wohnungssuche-Komödie Arrangiatevi! (1959, mit Totò) in ein Bordell führt ist ein Sinnbild für Bologninis Darstellung des Gesellschaftsverkehrs als Äquivalent zum Warenverkehr, der die sozialen Beziehungen dominiert (alles andere ist Selbstbetrug). Und dennoch vermitteln seine Filme, gerade die historischen, ein bewegendes Gespür für die Tragik der Epoche(n) und für Figuren, die von den Kräften der Geschichte mitgerissen werden. So erzählt L'eredita Ferramonti – ein Film, den Bolognini machte, nachdem ihn Pasolini kurz vor seinem Tod noch bedrängt hatte, er müsse es tun – von Menschen, die so besessen davon sind, reich zu sein, dass sie deshalb armselige Leben führen. Im Hereinbrechen einer neuen Ära des Mittelmaßes und Ausverkaufs um 1880 ist dabei unschwer ein Spiegel bild zukünftiger Niedergänge nicht nur Italiens im 20. (und 21.) Jahrhundert zu sehen: eine Kritik, die Pasolini am schärfsten und visionärsten formulierte, aber für die auch Bolognini und Lizzani stehen. Die mit Pasolini befreundete Schriftstellerin Dacia Maraini sprach von einer Prophezeiung des "Berlusconimus" und erkannte "eine Massenkultur, die allein auf den Gesetzen des Marktes basiert, auf Arroganz und Macht. Sie stellt den Reichtum aus und huldigt dem Schwindel, jede Form von Loyalität und Redlichkeit tritt sie mit Füßen. Es ist eine Kultur ohne Seele, ohne jede soziale Solidarität." (Christoph Huber)
Einführungen von Alberto Crespi, Christoph Huber und Giovanni Spagnoletti
Wir ergänzen die Präsentation des Gesamtwerks von Pier Paolo Pasolini (nur zwei Episodenfilmbeiträge sind derzeit leider nicht verfügbar) mit einer Lesung von Pasolini-Texten mit Christian Reiner und Wolf Wondratschek sowie durch einen Amos-Vogel-Atlas mit einer Dokumentarfilm-Rarität zu Pasolinis Tod und zwei Kurzfilmen von Ludwig Wüst, der zu einem Werkstattgespräch zu Gast sein wird.
In Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut Wien, der Cineteca Nazionale und dem Istituto Luce – Cinecittà
Programmhinweis: Am 25. Februar um 15 Uhr gibt es eine Zusatzvorstellung von Il Decameron (1971, Pier Paolo Pasolini).
Zum Jahresauftakt würdigen wir drei "Hundertjährige": ein Trio von herausragenden italienischen Filmemachern, die jeweils auf ihre Weise ein kritisches zeitgenössisches Kino verwirklichten und einander zudem freundschaftlich und künstlerisch verbunden waren. Im Mittelpunkt steht mit Pier Paolo Pasolini (1922–1975) eine der großen Künstlerpersonen des 20. Jahrhunderts: Pasolini war als Poet und Autor bereits ein Star der italienischen Nachkriegskultur, als er mit Accatone (1961) sein Regiedebüt vorlegte. Als Zentralfigur des nationalen Kinos der 1960er wurde ihm vom Filmmuseum 2009 eine große Reihe gewidmet; heuer wird der Rahmen weiter gefasst, mit einer Gesamtschau von Pasolinis Werk bis zu Salò o le 120 giornate di Sodoma (1975), der erst nach seiner bis heute ungeklärten Ermordung erschien.
Pasolinis Filmschaffen kombinieren wir mit einem größeren Querschnitt des Werks seines Kino-Mentors Mauro Bolognini (1922–2001). Bolognini bestand auf dem umstrittenen Literaten Pasolini als Drehbuchautor und arbeitete von 1957 bis 1960 konsequent mit ihm zusammen, anschließend ebnete er den Weg zur Produktion von Accatone. Selbst reüssierte Bolognini als einer der großen gesellschaftskritischen Regisseure Italiens von den 1950ern bis in die 1980er bei Filmfestivals wie Cannes oder Locarno. Bolognini feierte internationale Erfolge durch Produktionen mit Weltstars wie Marcello Mastroianni (die von Pasolini mitverfasste Tragikomödie Il bell'Antonio, 1960; das Psychiatrie-Drama Per le antiche scale, 1975), Claudia Cardinale und Jean-Paul Belmondo (La viaccia, 1961), Ingrid Thulin (die Moravia- Verfilmung Agostino, 1962) oder Anthony Quinn und Dominique Sanda (L'eredita Ferramonti, 1976). Doch inzwischen ist er zu Unrecht vernachlässigt. Möglicherweise weil sein kultiviertes, klassenbewusstes Kino vom ähnlich ausgerichteten, aber wesentlich gefälligeren Werk Bernardo Bertoluccis überschattet worden ist.
Mit Carlo Lizzani (1922–2013) kommt als Dritter im Bunde eine Schlüsselfigur für die Erneuerung des italienischen Kinos durch den Neorealismus dazu. Neben Luchino Visconti, Giuseppe De Santis u.a. war Lizzani in den 1940ern als Kritiker Teil dieses Aufbruchs, als Regisseur debütierte er mit historischen Schilderungen des Kampfes gegen den Faschismus im neorealistischen Stil: Achtung! Banditi! (1951) handelt von kommunistischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg (in einer Nebenrolle: der künftige Kinostar Gina Lollobrigida). Cronache di poveri amanti (1954, hier mit Mastroianni auf dem Weg zum Weltruhm) erzählt vom Antifaschismus im Arbeitermilieu von Florenz der 1920er, die Regierung reagierte auf den Film mit Repressalien. Direkt davor lieferte Lizzani einen Beitrag zum exzellenten Episodenfilm L'amore in città, in dem die Aufspaltung des neorealistischen Erbes in Autorenfilm und Populärkino abzulesen war.
Lizzani selbst setzte auf Genrefilme mit engagierter Thematik. Bei spielhaft dafür sind Il gobbo (1960) über einen Weltkriegs-Partisanenkämpfer, der zum Räuber wird, und L'oro di Roma (1961) über die Razzia im jüdischen Ghetto von Rom 1943. Lizzanis spätere Verschränkung von Genre und Zeitkritik im Zeichen der hereinbrechenden "bleiernen Jahre" zeigen Banditi a Milano (1968, eine Action- Reportage über die neue Welle urbaner Verbrechen) und Kleinhoff Hotel (1977, ein deutsch-italienischer Erotikthriller über die grassierende Terrorangst). Pasolini ist bei Lizzani – beide zeichnen zudem für Episoden von Amore e rabbia (1969) verantwortlich – zwei Mal in unvergesslichen Nebenrollen zu sehen: Bei Il gobbo sowie im Italo western Requiescant (1967), wo er einen Revoluzzer-Priester spielt.
Diese Verschränkung von Kommunismus und Christentum ist auch prägend für die Wahrnehmung von Pasolini – als Künstler wie als öffentliche Figur. Pasolinis Zugang zu Marxismus und Religion war dezidiert anti-doktrinär, seine Homosexualität sorgte dazu zeitlebens für Skandale (ebenso wie sein Schaffen), während er sich als Intellektueller provokant in tagesaktuelle Diskussionen einmischte: am angesagten Siegeszug des Wirtschaftswunders zweifelnd, während er das einfache Volk und dessen Kultur verherrlichte. Das Widersprüchliche als produktive Triebkraft war sein Element, dadurch konnte er auf singuläre Weise die Massen erreichen – und polarisieren: Wie er im Interviewfilm Comizi d'amore (1964) von Norden nach Süden durch Italien reist, um seine Landsleute mit Offenheit und Charme über ihr Liebesleben zu befragen, ist entwaffnender Aus druck seiner Kommunikationsgabe, die eine ganze Nation bewegte.
Als Filmschaffender gehörte Pasolini zwar zur Autorenfilmer-Generation nach dem Neorealismus, doch betonte er dabei selbst, dass er nur Filme für ein großes Publikum machen wollte. Sein unverwechselbarer Zugriff führte dabei aus Roms Vorstädten in den borgate-Milieustudien Accatone und Mamma Roma (1962) zur radikalen Neudeutung von Mythen: von christlichen (Il Vangelo secondo Matteo erzählte 1964 ein Neues Testament als wär's ein Dokumentarfilm im Süditalien seiner Zeit) wie antiken (Ödipus in Edipo re, 1967; Medea, 1969). Mit Erfolgskomiker Totò baute Pasolini indessen einen "Spiel-Film" (Uccellacci e uccellini, 1966), der ebenso Zeitdiagnose ist wie sein Bourgeoisie-Bild Teorema (1968) und das allegorische Diptychon Porcile (1969). Nach diesen Endspielen verhandelte Pasolini in den 1970ern die Sinnfrage vollends über den Körper (und das Sinn liche): In der utopisch konzipierten "Trilogie des Lebens" widmete er sich volksnah klassischen Erzählungen – Boccaccios Decamerone, Chaucers Canterbury Tales, 1001e Nacht. Mit Salò folgte ein De Sade'sches Gegenbild dazu – ein Ende, das keines hätte sein sollen, aber wie ein letztes Wort wirkt.
Die kalte Nacktheit dieses aufrüttelnden Abschiedswerks entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man bedenkt, dass sich Pasolini – bei aller gegenseitigen Wertschätzung – ästhetisch einst mit Bolognini wegen dessen unterkühlter Inszenierung seines borgate-Sujets in La notte brava (1959) überworfen hatte. Bologninis elegant-distanzierter Stil fand in seinen Drehbuch-Kollaborationen mit Pasolini seine Vollendung: Von den geschmeidigen Kamerafahrten im täuschend leichten Lustspiel Marisa la civetta (1957) zu den imposanten Rom-Bildern in La giornata balorda (1960, nach Moravia) zeichnete sich eine distinguierte Weltsicht ab. Wie Pasolini ist Bolognini als Filmemacher ein Meister des Plastischen und des Sinnlichen, und beide eint eine gewisse Verzweiflung in der Weltsicht, obwohl ihre Ausdrucksweise und Persönlichkeit ganz verschieden waren (so ging Bologini sehr diskret mit seiner Homosexualität um).
Dass die Wohnungssuche-Komödie Arrangiatevi! (1959, mit Totò) in ein Bordell führt ist ein Sinnbild für Bologninis Darstellung des Gesellschaftsverkehrs als Äquivalent zum Warenverkehr, der die sozialen Beziehungen dominiert (alles andere ist Selbstbetrug). Und dennoch vermitteln seine Filme, gerade die historischen, ein bewegendes Gespür für die Tragik der Epoche(n) und für Figuren, die von den Kräften der Geschichte mitgerissen werden. So erzählt L'eredita Ferramonti – ein Film, den Bolognini machte, nachdem ihn Pasolini kurz vor seinem Tod noch bedrängt hatte, er müsse es tun – von Menschen, die so besessen davon sind, reich zu sein, dass sie deshalb armselige Leben führen. Im Hereinbrechen einer neuen Ära des Mittelmaßes und Ausverkaufs um 1880 ist dabei unschwer ein Spiegel bild zukünftiger Niedergänge nicht nur Italiens im 20. (und 21.) Jahrhundert zu sehen: eine Kritik, die Pasolini am schärfsten und visionärsten formulierte, aber für die auch Bolognini und Lizzani stehen. Die mit Pasolini befreundete Schriftstellerin Dacia Maraini sprach von einer Prophezeiung des "Berlusconimus" und erkannte "eine Massenkultur, die allein auf den Gesetzen des Marktes basiert, auf Arroganz und Macht. Sie stellt den Reichtum aus und huldigt dem Schwindel, jede Form von Loyalität und Redlichkeit tritt sie mit Füßen. Es ist eine Kultur ohne Seele, ohne jede soziale Solidarität." (Christoph Huber)
Einführungen von Alberto Crespi, Christoph Huber und Giovanni Spagnoletti
Wir ergänzen die Präsentation des Gesamtwerks von Pier Paolo Pasolini (nur zwei Episodenfilmbeiträge sind derzeit leider nicht verfügbar) mit einer Lesung von Pasolini-Texten mit Christian Reiner und Wolf Wondratschek sowie durch einen Amos-Vogel-Atlas mit einer Dokumentarfilm-Rarität zu Pasolinis Tod und zwei Kurzfilmen von Ludwig Wüst, der zu einem Werkstattgespräch zu Gast sein wird.
In Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut Wien, der Cineteca Nazionale und dem Istituto Luce – Cinecittà
Programmhinweis: Am 25. Februar um 15 Uhr gibt es eine Zusatzvorstellung von Il Decameron (1971, Pier Paolo Pasolini).
Zusätzliche Materialien