42/83 No Film, 1983, Kurt Kren

Films You Cannot See Elsewhere

Amos-Vogel-Atlas Kapitel 16:
Schrift.Bild

31. Jänner 2024
 
Obwohl einem das geschriebene Wort intuitiv wie eine Antithese zum filmischen Bild vorkommen mag, war die Schrift immer schon ein wichtiges Element des Kinos: Erst der Text in den Credits verrät, wer den Film gemacht und daran mitgearbeitet hat. In der Stummfilmzeit benötigte man für die Erzählung fast immer Zwischentitel mit ihren schriftlichen Erläuterungen und selbst im Tonfilm hat die Einblendung von Wörtern und Sätzen – ob diegetisch (etwa in Form eines Briefes, der gelesen wird) oder als kommentierende Intervention der Macher*innen – eine besondere Bedeutung behalten.
 
Als Sonderform gelten die sogenannten "Schriftfilme" oder "Textfilme", die fast ausschließlich aus Wörtern und Buchstaben bestehen und die im Kunst- und Avantgardekontext eine spezielle Tradition haben, wobei gerade im österreichischen Experimentalfilm ein starkes Interesse vorhanden war. So entwickelte Marc Adrian parallel zur konkreten Poesie der Nachkriegszeit und der Wiener Gruppe eine Reihe von bahnbrechenden Buchstaben- und Textfilmen, gefolgt von strukturellen Arbeiten etwa von Ernst Schmidt jr. Gleichzeitig dazu wurden auch international Schriftfilm-Wege beschritten, etwa vom Schweizer Künstler und konkreten Poeten Diter Rot (alias Dieter Roth) oder dem US-Avantgardisten Paul Sharits.
 
In zwei Programmen zeigen wir eine Auswahl solcher selten zu sehenden Schlüsselwerke aus unserer Sammlung mit einem historischen Rahmen. Die Vorreiterrolle der frühen Avantgarde der Stummfilmära wird im ersten Programm durch das rare Meisterwerk Histoire de détective (1929) des Belgiers Charles Dekeukeleire repräsentiert, in dem die Zwischentitel eine Art Eigenleben von der Bilderzählung führen. Das zweite Programm beschäftigt sich mit einem zunehmend freieren Umgang mit Schrift und Worten in späteren Jahren: Als Zeichen und Botschaften zwischen, neben und in den Bildern bei Stan Brakhage und Su Friedrich und als Transformation in "andere Dimensionen" bei Kathrin Resetarits' Gebärdensprache-Untersuchung und Gerda Lampalzers verblüffender wie hochkomischer "Laut-Malerei". (Christoph Huber)
 
Der gebürtige Wiener Jude Amos Vogel (1921–2012) wurde nach der Emigration in die USA eine der wichtigsten Figuren der internationalen Filmkultur. Die Reihe Amos-Vogel-Atlas widmet sich der Weiterführung seines widerständigen Erbes parallel zur Beforschung seines Nachlasses im Filmmuseum mit Schwerpunkt auf Raritäten aus der Sammlung.
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