Der Wunsch die Kinoerfahrung auch in der Intimität des Wohnzimmers zu ermöglichen, existiert seit Beginn der Kinematographie. Bereits um 1900 hält das Heimkino Einzug in die großbürgerlichen Salons, in denen traditionell vorgetragen und musiziert wird. Auch technische Innovationen kommen in den Salons als belehrende Unterhaltung zur Anschauung. Die Kinematographie als Weiterentwicklung der Laterna Magica fasziniert mit illusionistischen Tricks und Zaubereien die Gäste, verfügt dabei aber auch über die Kraft, das Leben abzubilden.
Erst Mitte der 1920er-Jahre kommt es zu technischen Neuerungen im Segment des Amateurkinos. Die Markteinführung der äußerst materialeffizienten Filmformate 9,5mm und 16mm durch Pathé und Kodak sowie der entsprechenden Schmalfilmprojektoren wird begleitet von der Entwicklung kleiner handlicher Filmkameras. Diese ermöglichen es nun jedem, das eigene Leben auf Film festzuhalten. Die neuen Filmmaterialien sind als Umkehrfilme erhältlich und reduzieren die Entwicklungskosten. Im Gegensatz zum industriell gebräuchlichen Nitrofilm sind sie nicht brennbar und versprechen während der Projektion Sicherheit vor Brandgefahr im eigenen Heim.
Mit der Verbreitung des nun leistbar gewordenen Schmalfilms gründen sich weltweit die ersten Amateurfilmclubs. Man teilt sich die Ausrüstung, veranstaltet Filmabende und produziert einzeln oder im Kollektiv. Friedrich Kuplent, begeisterter Amateurzauberer im "Magischen Klub Wien" und Filmamateur im "Klub der Kinoamateure Österreichs" filmt 1944 die Teestunde im eigenen Heim auf 16mm. Geladen ist ein Freund aus dem Zauberclub, der Grafiker Anton Stursa mit seiner Familie. Nach der Vorführung von fingerfertigen Zaubertricks und musikalisch erquicklichen Darbietungen gelangt der Abend im Flackern des Filmprojektors vor Schätzen aus dem Schmalfilmschrank zu seinem Höhepunkt.
Kuplents Film Wir laden zum 5 Uhr Tee ist in mehrfacher Hinsicht ein Dokument privat-filmischer Praktiken. Einerseits zeigt er die soziale Funktion des Heimkinos im lebensweltlich kommunikativen Zusammenhang. Andererseits ist er ein Beispiel gemeinschaftlicher Produktion. Die Kuplents filmen, Strusa entwirft die Anfangstitel und Kuplents Frau Poldi verantwortet den Schnitt. Diesem ambitionierten Amateurfilm gelingt es, Techniken der Illusion von Zauberei und Film einzufangen, welche uns überraschen, täuschen und immer wieder Staunen lassen.
Leider sind nur wenige filmische Aufzeichnungen privater Filmaufführungen von Amateuren erhalten geblieben. Viele Geschichten um die Vorführpraxis im eigenen Heim existieren nur noch in den Erinnerungen der einzelnen Familienmitglieder. Das Filmmuseum bemühte sich 2015 im Amateurfilmsammelprojekt "WIEN BEWEGT!" nicht nur um die Sicherung von Schmalfilmen, sondern auch darum, die Erinnerungen der Stifter an die Filmaufführung im eigenen Wohnzimmer zu erfragen. Es ist doch diese Form von Filmerlebnis, die bei nicht wenigen Filmbegeisterten die Faszination für das Kino erst geweckt hat.
Mit Dank an den Klub der Kinoamateure Österreichs
Raoul Schmidt
Erstmals veröffentlicht auf derStandard.at am 12.10.2015