Die Rückseite des Films

Flüstern in der Brise: Zum 70. Geburtstag Rainer Werner Fassbinders

 

The promises we made
Are whispers in the breeze

They echo and they fade
Just like our memories


Titellied zu Written on the Wind (Musik: Victor Young, Text: Sammy Cahn)
 

Bereits in den 1910er-Jahren war klar, dass man einen Film am besten mit Film bewirbt. Am Beginn kündigten Kinobetreiber ihre kommenden Programme jeweils am Ende des laufenden Hauptfilms an. Von da stammt der heute noch übliche Begriff "Trailer" – vom englischen "trail", d.h. nachlaufen (obwohl Trailer seit den 1920ern in der Regel vor dem Film statt danach gespielt werden). Mit der Zeit wurden Trailer immer kreativer in Konzept und Form, bis sie schließlich als eigene Kunst geschätzt wurden.
 

Der Kinostart eines Films markierte praktisch das "Ablaufdatum" des Trailers. Damit verlor er seinen Wert und seine Funktion, und Kinobetreiber wurden aktiv dazu aufgefordert, diesen zu vernichten. Zum Glück haben sich nicht alle an diese Vorgabe gehalten. Ein wesentlicher Bestandteil der Filmsammlung des Österreichischen Filmmuseums besteht aus Trailern, die alle Epochen und Genres umfassen und Einblicke in die historische Entwicklung der Vertriebsstrategien von Filmproduzenten und Verleihern im In- und Ausland geben.
 

Written on the Wind (1954) vom Genre-Meister Douglas Sirk (1897–1987) gilt heute als Klassiker des Hollywood-Melodramas der 1950er-Jahre. Zu der Zeit erkannten nur wenige die Handschrift eines "auteur" in seinen oberflächlich eher konventionell wirkenden "weepies", und Sirk zog sich 1960 enttäuscht aus der Filmwelt zurück.


Einer, der zur Neubewertung Sirks Anfang der 1970er-Jahre wesentlich beitrug, war der deutsche Filmemacher Rainer Werner Fassbinder (1945–1982). Anlässlich einer Sirk-Retrospektive im Münchner Filmmuseum lernte Fassbinder Sirks Werke kennen, darunter Written on the Wind. Daraufhin schrieb er euphorisch: "Ich habe sechs Filme von Douglas Sirk gesehen. Es waren die schönsten der Welt dabei."

 

Fassbinder war schon der Star des Neuen Deutschen Kinos, als das Österreichische Filmmuseum am 2. November 1975 zum ersten Mal einen Film von ihm zeigte (Faustrecht der Freiheit) und ihn dazu nach Wien einlud. Das Publikumsgespräch nach der Vorführung wurde vorausschauend auf Videoband aufgezeichnet.

Obwohl Fassbinder am 10. Juni 1982 im Alter von 37 Jahren nach Überarbeitung und dem Konsum mehrerer Drogen an einem Herzstillstand verstarb, lebt er in diesem Video weiter. Gesehen in den unscharfen schwarz-weißen Bildern, ist der "freundliche Mensch" des Videos kein Mensch mehr, sondern nur eine Erinnerung, die – nach dem Titellied zu Written on the Wind – nach und nach verklingt, wie ein Flüstern in der Brise.

Oliver Hanley
Erstmals veröffentlicht auf derStandard.at am 26.5.2015

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