Abenteuer Alltag

Das österreichische Filmmuseum besitzt umfangreiche Bestände an Filmen, die von Privatpersonen zwischen den 1920er und den 1990er Jahren in Wien gedreht wurden und deren Leben und Ihre Umgebung auf analogem Film festhalten. Diese Filmdokumente stellen eine einzigartige Quelle der Zeitgeschichte und Alltagskultur dar, die bis jetzt nur in Ansätzen wissenschaftlich, historisch und inhaltlich erschlossen ist. Filmamateur*innen blicken anders auf die Orte, in denen sie leben und sich bewegen, sie bieten neue Perspektiven auf historische Ereignisse und geben Einblicke in die Alltagskultur Wiens des 20. Jahrhunderts.

Wie würde es die Arbeit mit Amateur*innenfilmen als "lebendem Dokument" der Alltagsgeschichte verändern, wenn wir Technologien einsetzen, mittels derer Filme sekundengenau getagged, beschrieben, und mit Kontextmaterialien, wie Briefen, Fotografien, Oral-History-Interviews und Geodaten erschlossen werden könnten? Welche ethischen Fragen wirft eine solche Arbeit mit Bilddokumenten auf, die nie für die Vorführung vor einer breiten Öffentlichkeit gedacht waren? Und wie verändert es unseren Umgang mit zeithistorischen Dokumenten, wenn nicht nur menschliche, sondern auch nichtmenschliche Akteure (KI) in die Filmanalyse und in die kuratorische Arbeit eingebunden sind? Um diese Fragen zu beantworten möchte das Österreichische Filmmuseum mit Partner*innen aus dem Technologiebereich den Einsatz innovativer Technologien, wie automatische Analyse, zeitbasierte Annotation, Geoannotation und state of the art Metadatenstandards für Amateur*innenfilme erproben. Ziel des Projektes ist es, weltweit führende Best-Practice-Richtlinien und technische Lösungen zu etablieren, die vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen Zugang zum "Abenteuer Alltag" eröffnen.

Wir möchten mit unserem Projekt demonstrieren, wie digitale Technologien die Erschließung, das Kuratieren, die Darstellung und die Vermittlung dieser einzigartigen Filmdokumente innovieren können. Als erstes Museum weltweit wird das österreichische Filmmuseum digitalisierte Filmdokumente so bereitstellen, dass sie in Relation zu Orten, Ereignissen der Zeitgeschichte, technischen und sozialen Entwicklungen, und den Lebensgeschichten der Filmamateur*innen erlebbar werden. Mittels hochauflösender Digitalisierung, automatischer Analyse durch KI, manuelle Annotation und "großzügiger", attraktiver Webinterfaces können User*innen auch ohne Spezialwissen und ohne ins Museumsdepot zu kommen Filme sichten, nach Orten, Personen, Motiven und Ereignissen suchen, Querverbindungen entdecken, und ihre Suchergebnisse abspeichern.

Unser Ziel

  • Eine benutzerfreundliche öffentliche Webplattform, die diversen Zielgruppen Zugang zu Amateur*innenfilmen aus und über Wien gestattet und komplexe Suchoperationen auf intuitive und benutzerfreundliche Art erlaubt.
  • 200 digitalisierte Amateurfilme werden zeitbasiert annotiert in einem Player verfügbar, in voller Länge und kostenlos. Angereichert werden sie mit ausgewähltem Kontextmaterial wie Schriftgut, Fotos oder Interviews.
  • Die Filme sollen automatisch analysiert und von Redakteur*innen der Website manuell mit Informationen angereichert (annotiert) werden.
  • Neben den Filmen selbst soll auch die Geschichte, Ästhetik und Praxis privater Filmherstellung kuratorisch gerahmt werden. Zentral sind hierbei die Biografien der Amateur*innen, die in "exemplarischen Editionen" auf der Plattform präsentiert werden.
  • Ein Backend, das auf der im Projekt "Visual History of the Holocaust" entwickelten Open-Source-Architektur aufbaut.
  • Ein attraktives Frontend das eine User Experience bietet, die sich an eine (Laien-)öffentlichkeit ohne spezialisierte IT-Skills wendet.


Projektleitung
Michael Loebenstein, Stefanie Zingl (Österreichisches Filmmuseum)

Projektpartner
max.recall (Wien) und das Computer Vision Lab (CVL) der TU Wien

Durchführungszeitraum
Jänner 2023 bis Dezember 2024

Förderung
Gefördert durch die Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der Stadt Wien
 

Wirtschaftsagentur Wien
Ansprechpartner
Michael Loebenstein


Stefanie Zingl
s.zingl@filmmuseum.at