Jeder engagierte Amateurfilmer, in diesem Fall eine Amateurfilmerin, hat es jährlich getan: den Weihnachtsbaum filmen. Der Baum mit seinen bunten Kugeln lockt das Kameraauge, verwirrt es aber zugleich mit seinem hellen, reflektierenden Schmuck. Es ist ein Klassiker auf Super 8.
Diese Zusammenstellung zeigt Aufnahmen der Weihnachtsbäume der Jahre 1972, 1973, 1974 und 1977. Quintessenz der Aufnahmen ist der Baum selbst. Als Erstes sichtbar wird aber die wiederkehrende Beschriftung mit Jahreszahlen, die der Nachwelt die Einordnung erleichtert.
Die Ausschnitte zeigen die Repräsentation des Weihnachtsfests in einer Familie aus dem vierten Wiener Gemeindebezirk. Der Christbaum wird auf verschiedene Weise aufgenommen, von der absoluten Nahaufnahme bis zum Schwenk durch den Raum, der auf einem großen Stoß von Geschenken endet. Als "stilbildend" kann angesehen werden, dass die Großaufnahmen des Baumschmucks nie völlig scharf sind – eine Konstante in diesen Filmen.
Besonderes Augenmerk liegt bei der Zusammenstellung auf dem Jahr 1973. Damals wurde nicht nur ein Zwischentitel mit Jahreszahl sehr spielerisch ausgetüftelt, zu sehen ist auch ein weiterer Christbaum in einer anderen Wohnung, was uns annehmen lässt, dass einmal in der Kleinfamilie und einmal mit der gesamten Verwandtschaft gefeiert wurde.
1974 steht noch vor dem Tableau mit der Jahreszahl ein Christkindlmarkt-Besuch auf dem Programm. Zum letzten Mal hat dieser vor der Messehalle (dem jetzigen Museumsquartier) stattgefunden, bevor er der Baustelle für die heute dort befindliche Tiefgarage weichen musste und der Markt vorerst provisorisch auf seinen jetzigen Standort, den Rathausplatz, umgesiedelt wurde. Das Angebot des Stands hingegen könnte gut auch 40 Jahre später so vorgefunden werden: Glaskugeln in allen Farben und Formen.
Christian Kurz
Erstmals veröffentlicht auf derStandard.at am 22.12.2014
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